Archiv für den Monat: Juli 2010

Der Weg zum Sparen führt über die digitale Schlucht

Auch die nordrheinwestfälische Mittelstadt Arnsberg im Ruhrtal, die zu den Finalisten des T-City Wettbewerbs zählte, spürt mittlerweile die Auswirkungen der leeren Staatskasse in Deutschland und eine damit einhergehende ausgeschöpfte Gemeindekasse. Um dieses finanzielle Loch zu stopfen, baut die Stadt im Hochsauerlandkreis auf eine besondere Maßnahme des Sparens, wie in der Zeit no. 27 vom 1. Juli 2010 berichtet wird.

Viele Städte mit leeren Kassen setzen im Rahmen ihres Sparkurses auf einen neuen Umgang mit Finanzmitteln, indem sie ihre Einwohner durch „Bürgerhaushalte“ auffordern, Vorschläge zu machen, wie und wo Geld ausgegeben und möglicherweise auch gespart werden soll. Arnsberg geht das Problem in einer anderen Form an: Dort werden ebenso Bürger aktiviert – allerdings nicht im Sinne einer E-Partizipation, sondern im traditionelleren Sinne einer ehrenamtlichen Tätigkeit.

Das hört sich zunächst einmal nicht danach an, dass diese Aktivierung der Bürger mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien zusammenhängt. Und doch, das Arnsberger Modell zum Sparen ist ein Weg, der über die digitale Schlucht führt. An mehreren Realschulen unterrichten Schüler ehrenamtlich Senioren im Umgang mit dem PC oder dem Handy und helfen diesen, sich in der neuen technischen Welt zurechtzufinden.

Diese Kurse erfreuen sich bei den älteren Menschen großer Beliebtheit. Die Schüler erhalten als Anerkennung eine Bescheinigung über ihr ehrenamtliches Engagement und können sich selbst in der Rolle eines Lehrers üben. Die Senioren wiederum betreuen im Gegenzug Schüler, die eine spezielle Förderung benötigen.

So können trotz einer leeren Gemeindekasse neue Fördermöglichkeiten geschaffen und gleichzeitig Stück für Stück der Weg über die digitale Schlucht, die auch unterschiedliche Generationen trennt, ausgebaut werden – und diese kann sogar in Zeiten leerer Kassen neu gepflastert werden.

Probleme bei der Einführung von Smart-Metering in den USA

US-Energieversorger stoßen auf massive Widerstände von Kunden bei der Einführung von intelligenten Stromzählern.

Eigentlich sollen die Smart Meter den Energiebedarf für den Kunden transparenter machen und könnten damit zum Stromsparen motivieren. Jedoch erfahren die Energieversorger in den USA eine starke Ablehnung bei der Umrüstung und dem Austausch alter Stromzähler. In einigen US-Bundesstaaten Kalifornien und Texas kam es neben Protesten bereits zu Gerichtsverfahren.

Grund für den Unmut der Stromverbraucher sind höhere Stromrechnungen nach dem Austausch der alten Zähler – diese werden jedoch von den Energiekonzernen auf die ungewöhnlich kalten Witterungen oder vereinzelte Ablesefehler zurückgeführt.

Die altmodischen Stromnetze in den USA sollen derzeit Schritt für Schritt zu sogenannten Smart Grids ausgebaut werden. Intelligente Stromnetze (engl. Smart Grids) zeichnen sich dadurch aus, dass durch die kommunikative Vernetzung und Steuerung aller Bestandteile die Energieversorgung auf Basis eines effizienten und zuverlässigen Systembetriebs sichergestellt werden kann. Im Zuge dessen werden auch die cleveren Zähler flächendeckend in US-Haushalten eingebaut.

Dabei werden tatsächlich, trotz der Fördergelder, maßgeblich die Stromverbraucher die milliardenteure Umrüstung der Energienetze tragen müssen. Neben dem Unmut über die oft im Gegenzug gering ausfallenden Einsparmöglichkeiten für den Energieverbraucher durch die verbesserte Infrastruktur sehen Marktforscher auf Seiten der Energieversorger zudem erheblichen Nachholbedarf in Sachen Kommunikation und Marketing. Einer Studie der Firma Telus zur Folge sind die Konzerne gar nicht auf den größeren Kommunikationsbedarf ihrer mit intelligenten Stromzählern ausgerüsteten Kunden vorbereitet.

Auf der Energieversorger-Konferenz KEMA Utility of the Future 2010 wurde nun erstmals diskutiert, wie man in Zukunft mit dem Widerstand der Kunden gegen die Smart Meters umgehen wird. Wir werden das beobachten!

14 Thesen zur Netzpolitik – oder über die Freiheit Dummheiten zu begehen

14 Thesen zur Netzpolitik

Ende Juni stellte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) im Lokschuppen des Berliner Technikmuseums seine „14 Thesen zu den Grundlagen einer gemeinsamen Netzpolitik der Zukunft“ vor. Die mit Spannung erwartete Grundsatzrede sollte der bisherige Höhepunkt der Bemühungen des Innenministers werden, das durch Bundestrojaner, Zensursula, ELENA, SWIFT und andere Fehltritte in Sachen Netzpolitik und Verbraucherschutz zerrüttete Verhältnis zur Netzgemeinde zu verbessern und als Bundesregierung endlich gestaltend aufzutreten.

In der ersten Jahreshälfte fanden bereits vier Dialogveranstaltungen unter der Schirmherrschaft des Innenministers statt, bei denen Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Internetnutzer (über die Webseite www.e-konsultation.de) mit de Maizière über Netzpolitische Themen diskutierten. Die 14 Thesen sind das Ergebnis dieses Austausches.

Im Netz regt sich Protest

Das Medienecho im Anschluss an den Vortrag des Innenministers machte jedoch schnell deutlich, dass diese Thesen lediglich die Grundlage für eine viel weiter reichende und lang andauernde Diskussion über die Grundfeste der digitalen Gesellschaft sein können.

Kommentare von NetzaktivistInnen wie Andre Meister („Enttäuschend sind das Festhalten an der Vorratsdatenspeicherung […]“) und Constanze Kurz („ […] ist die Zeit der technischen Missverständnisse und Politiker-Netzalphabetisierung vorbei, nun geht es um politische Grundüberzeugungen.“) ebenso wie die Formulierung von „10 Thesen zur aktuellen netzpolitischen Diskussion“ von Malte Spitz (Bündnis 90/ Die Grünen) spiegelten ein Gros der Beiträge der Blogosphäre wider, in denen eine starke Abneigung gegenüber zentralen Punkten von de Maizières Agenda deutlich wurde. Interessanterweise befürworteten die Nutzer auf www.e-konsultation.de die Mehrzahl der Thesen (8 von 14, ca. 57%).

Elektronischer Personalausweis, ELENA und ISP Haftung als Lösung?

Neben der Kritik an einer unzeitgemäßen Auffassung des Urheberrechts, der Befürwortung der Vorratsdatenspeicherung und der halbherzigen Abkehr von Netzsperren wurde insbesondere de Maizières Sichtweise in Bezug auf Anonymität (These 5) im Internet mit Skepsis aufgenommen. Die von der Politik immer wieder bemühte These, dass das Internet kein rechtsfreier Raum sein könne (was es nicht ist), nahm auch der Innenminister zum Anlass, um die Einführung des elektronischen Personalausweises und die zukünftige Möglichkeit zur Filterung des Datenverkehrs zu legitimieren.

Dabei stellt Anonymität einen wichtigen Baustein einer demokratischen Gesellschaft dar, denn sie erlaubt es den Bürgern, sich frei und ohne Angst vor Repressalien zu äußern und beispielsweise die Regierung zu kritisieren. Unter anderem an diesem Punkt wird deutlich, dass de Maizière zuallererst Innen- und nicht Internetminister ist.

Es braucht eine einheitliche Netzpolitik

Seine Ideen, Inhalte aus dem Internet zu entfernen (digitaler Radiergummi), Gegendarstellungen prominent in Suchmaschinenergebnissen zu positionieren oder Daten mit einer Art digitalem Haltbarkeitsdatum zu versehen (siehe Viktor Mayer-Schönberger), sind allesamt lobenswert – erscheinen jedoch rechtlich und technisch schwer realisierbar zu sein.

Positiv festzuhalten bleibt de Mazierès grundsätzliche Zustimmung zu Netzneutralität und der Idee eines Datenbriefs – Projekte, die Gruppen wie der Chaos Computer Club seit langem befürworten. Ob und in welchem Maße die Politik nach dem ignorieren, unterschätzen, überschätzen und bestaunen des Phänomens Internet in der Lage sein wird, eine kohärente Netzpolitik zu formulieren, bleibt jedoch offen.

Wie Handys einen Einblick in unseren Alltag ermöglichen und neue Möglichkeiten der Forschung eröffnen

Auswertungsmöglichkeiten standortbezogener Informationen zeigen, dass nicht nur das Medium des Internets, sondern interessanterweise auch das Handy neue Möglichkeiten zur Auswertung bietet. Hier haben sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten entwickelt, die uns im Alltag vielleicht gar nicht immer so gegenwärtig sind. Unsere Aufenthaltsorte und Bewegungsmuster können damit nämlich nicht nur in der virtuellen Welt, sondern auch im realen Leben nachverfolgt werden.

Aktuell hat Apple seine Nutzungsbedingungen in der Form geändert, dass die Computer- und Handynutzer bewusst der Aufzeichnung und Speicherung sämtlicher Bewegungsdaten durch Apple auf Grundlage eines in den Geräten enthaltenen GPS-Empfängers zustimmen müssen.

Die anonymisiert erhobenen Standortdaten sollen auch für externe, standortbezogene Dienste nutzbar sein. Aber auch alle anderen Mobilfunkanbieter verfügen über die Daten ihrer Nutzer, so dass neben Telefon- und SMS-Verbindungen auch die jeweiligen Standorte nachvollzogen werden können.

Dass die Auswertung von Mobilfunkdaten interessante und neue Möglichkeiten zum Beispiel für die Erforschung sozialer Netze, im Einsatz bei Katastrophen in großen Menschenmengen oder auch für die Anwendung in der Werbung bieten, zeigt der kürzlich veröffentlichte Artikel „Wie Handys die Welt beobachten“ von Konrad Lischka.

Mit den durch die Ortung erhaltenen Daten können unter anderem Bewegungsprofile erforscht und die Verteilung von Menschengruppen im Raum untersucht werden. Konrad Lischka nennt als Beispiel dafür die Untersuchung eines Dienstleisters am Hamburger Flughafen, der die Bewegung der Flughafenbesucher durch den Einkaufsbereich auf dem Weg zu ihrem Gate auswertete.

Andere Einsatzmöglichkeiten von Mobilfunkdaten stellen die Bestimmung der Verkehrsdichte auf Straßen, die Erstellung von Verkehrsmodellen oder auch die Ableitung von Fahrtrouten in verschiedenen Verkehrsnetzen, die von Autofahrern entsprechend gewählt werden, dar. Mithilfe von Verbindungsdaten und der Ortung kann auch festgestellt werden, wann sich wie viele Urlauber in bestimmten Gebieten oder Ländern aufhalten, so dass Rückschlüsse für die Entwicklung der Tourismusbranche und die Verkehrsentwicklung gezogen werden können.

Bereits schon seit zwei Jahren wird die Weitergabe anonymisierter Bewegungsprofile der Nutzer von Vodafone für den Stauprognose-Dienst und das Verkehrsinformationssystem „HD Traffic“ von TomTom praktiziert. Das System funktioniert über die Beobachtung der Bewegung von Handys, mit denen telefoniert wird oder SMS versandt werden, da die Nutzer der Idee nach in Staus die Zeit zum Schreiben oder Telefonieren haben, um ihre Verspätung anzukündigen oder sich die Zeit zu vertreiben. So werden – zumindest außerhalb der Städte – Verkehrsstörungen erkannt.

Im Bereich der Werbung können entsprechende standortbezogene Daten dazu genutzt werden, um Werbeanzeigen an den Standort des jeweiligen Handynutzers anzupassen und so eine lokalisierte Werbung zu ermöglichen. Ebenfalls ist es denkbar, die Bewegungsmuster von Passanten zu verfolgen und so die Effektivität verschiedener Werbemittel wie zum Beispiel großer Plakatwände oder von Werbeständern über die mögliche Veränderung von Bewegungsmustern zu testen. Inwiefern direkt ein Rückschluss auf den Erfolg der Werbung möglich ist, ist eine andere Frage, aber die Methode an sich bietet ein breites Spektrum für die Forschung.

Im Gesundheitsbereich kann die Nutzung von Mobilfunkdaten unter anderem Rückschlüsse auf die Verbreitung von Krankheiten ermöglichen. Forscher aus Florida haben die mögliche Verbreitung von Malaria auf Grundlage von Handydaten in der Region Sansibar erforscht. Unter anderem war es Ziel der Untersuchung, mithilfe der aus den Telefondaten gewonnenen Informationen eine Berechnung der Kosten, die durch die Kontrolle aller Rückreisenden, durch die Verabreichung von prophylaktischen Medikamenten oder durch die gezielte Ansprache bestimmter Personengruppen entstehen würden, zu ermöglichen.

Konrad Lischka berichtet auch von einem belgischen Mathematiker, der die Möglichkeit zur Abbildung tatsächlicher (sozialer) Netzwerke durch Mobilfunkdaten hervorhebt und einen großen Vorteil darin sieht, dass im Zuge dieser Entwicklung große soziale Netzwerke auf Grundlage von echten Daten untersucht werden können, anstatt nur Teilmengen aus Umfragen als Basis einbeziehen zu können.

Abgesehen von den nicht zu vernachlässigenden Fragen des Datenschutzes und der Rekonstruierbarkeit der Identität von Personen trotz der Anonymisierung der Daten ist es eine spannende Frage, welche Entwicklungen in Zukunft noch möglich sein werden.