Wie Handys einen Einblick in unseren Alltag ermöglichen und neue Möglichkeiten der Forschung eröffnen

Auswertungsmöglichkeiten standortbezogener Informationen zeigen, dass nicht nur das Medium des Internets, sondern interessanterweise auch das Handy neue Möglichkeiten zur Auswertung bietet. Hier haben sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten entwickelt, die uns im Alltag vielleicht gar nicht immer so gegenwärtig sind. Unsere Aufenthaltsorte und Bewegungsmuster können damit nämlich nicht nur in der virtuellen Welt, sondern auch im realen Leben nachverfolgt werden.

Aktuell hat Apple seine Nutzungsbedingungen in der Form geändert, dass die Computer- und Handynutzer bewusst der Aufzeichnung und Speicherung sämtlicher Bewegungsdaten durch Apple auf Grundlage eines in den Geräten enthaltenen GPS-Empfängers zustimmen müssen.

Die anonymisiert erhobenen Standortdaten sollen auch für externe, standortbezogene Dienste nutzbar sein. Aber auch alle anderen Mobilfunkanbieter verfügen über die Daten ihrer Nutzer, so dass neben Telefon- und SMS-Verbindungen auch die jeweiligen Standorte nachvollzogen werden können.

Dass die Auswertung von Mobilfunkdaten interessante und neue Möglichkeiten zum Beispiel für die Erforschung sozialer Netze, im Einsatz bei Katastrophen in großen Menschenmengen oder auch für die Anwendung in der Werbung bieten, zeigt der kürzlich veröffentlichte Artikel „Wie Handys die Welt beobachten“ von Konrad Lischka.

Mit den durch die Ortung erhaltenen Daten können unter anderem Bewegungsprofile erforscht und die Verteilung von Menschengruppen im Raum untersucht werden. Konrad Lischka nennt als Beispiel dafür die Untersuchung eines Dienstleisters am Hamburger Flughafen, der die Bewegung der Flughafenbesucher durch den Einkaufsbereich auf dem Weg zu ihrem Gate auswertete.

Andere Einsatzmöglichkeiten von Mobilfunkdaten stellen die Bestimmung der Verkehrsdichte auf Straßen, die Erstellung von Verkehrsmodellen oder auch die Ableitung von Fahrtrouten in verschiedenen Verkehrsnetzen, die von Autofahrern entsprechend gewählt werden, dar. Mithilfe von Verbindungsdaten und der Ortung kann auch festgestellt werden, wann sich wie viele Urlauber in bestimmten Gebieten oder Ländern aufhalten, so dass Rückschlüsse für die Entwicklung der Tourismusbranche und die Verkehrsentwicklung gezogen werden können.

Bereits schon seit zwei Jahren wird die Weitergabe anonymisierter Bewegungsprofile der Nutzer von Vodafone für den Stauprognose-Dienst und das Verkehrsinformationssystem „HD Traffic“ von TomTom praktiziert. Das System funktioniert über die Beobachtung der Bewegung von Handys, mit denen telefoniert wird oder SMS versandt werden, da die Nutzer der Idee nach in Staus die Zeit zum Schreiben oder Telefonieren haben, um ihre Verspätung anzukündigen oder sich die Zeit zu vertreiben. So werden – zumindest außerhalb der Städte – Verkehrsstörungen erkannt.

Im Bereich der Werbung können entsprechende standortbezogene Daten dazu genutzt werden, um Werbeanzeigen an den Standort des jeweiligen Handynutzers anzupassen und so eine lokalisierte Werbung zu ermöglichen. Ebenfalls ist es denkbar, die Bewegungsmuster von Passanten zu verfolgen und so die Effektivität verschiedener Werbemittel wie zum Beispiel großer Plakatwände oder von Werbeständern über die mögliche Veränderung von Bewegungsmustern zu testen. Inwiefern direkt ein Rückschluss auf den Erfolg der Werbung möglich ist, ist eine andere Frage, aber die Methode an sich bietet ein breites Spektrum für die Forschung.

Im Gesundheitsbereich kann die Nutzung von Mobilfunkdaten unter anderem Rückschlüsse auf die Verbreitung von Krankheiten ermöglichen. Forscher aus Florida haben die mögliche Verbreitung von Malaria auf Grundlage von Handydaten in der Region Sansibar erforscht. Unter anderem war es Ziel der Untersuchung, mithilfe der aus den Telefondaten gewonnenen Informationen eine Berechnung der Kosten, die durch die Kontrolle aller Rückreisenden, durch die Verabreichung von prophylaktischen Medikamenten oder durch die gezielte Ansprache bestimmter Personengruppen entstehen würden, zu ermöglichen.

Konrad Lischka berichtet auch von einem belgischen Mathematiker, der die Möglichkeit zur Abbildung tatsächlicher (sozialer) Netzwerke durch Mobilfunkdaten hervorhebt und einen großen Vorteil darin sieht, dass im Zuge dieser Entwicklung große soziale Netzwerke auf Grundlage von echten Daten untersucht werden können, anstatt nur Teilmengen aus Umfragen als Basis einbeziehen zu können.

Abgesehen von den nicht zu vernachlässigenden Fragen des Datenschutzes und der Rekonstruierbarkeit der Identität von Personen trotz der Anonymisierung der Daten ist es eine spannende Frage, welche Entwicklungen in Zukunft noch möglich sein werden.

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